Klartext Mittelstand 2021: Politiker bekennen Farbe //
Wahlarena aus Erfurt
Auf Einladung des BVMW diskutierten am 27. Juli in Erfurt vier Kandidierende der CDU, SPD, FDP und den Grünen für den Deutschen Bundestag über die politischen Hauptanliegen des deutschen Mittelstands.
Das für Mittelständler dringendste und schwerwiegendste Thema, die überbordende bürokratische Belastung, plant die CDU unter anderem durch ein bürokratiefreies Jahr für Gründerinnen und Gründer zu adressieren, erklärte Antje Tillmann MdB. Die steuerpolitische Expertin sieht viele Lösungen in ebenjener Steuerpolitik: So fordert sie, in der kommenden Legislaturperiode Investitionen durch eine Thesaurierungsbegünstigung zu fördern. In den Unternehmen verbleibende Gewinne würden dadurch ermäßigter besteuert werden. Zudem müsse die Steuerbelastung von Unternehmen in Deutschland auf 25 Prozent begrenzt werden, um internationale Wettbewerbsfähigkeit zu garantieren. Durch eine Senkung der Stromsteuer und die Abschaffung der EEG-Umlage könne die unabdingbare CO2-Bepreisung ausgeglichen werden. Auch könne die Energiewende nicht durch Steuergelder bezahlt werden. Stattdessen solle der ökologische Umbau in Unternehme steuerlich begünstigt werden, ebenso wie Energieeinsparungen. Bezüglich Forschungsförderung für Innovationen müsse diese bei den Unternehmen bekannter gemacht werden, damit diesen keine Vorteile entgingen. Gleichzeitig brauche es mehr Förderung von neuen Innovationen auf dem Weg zur Marktreife. Tillmann verteidigte außerdem das Lieferkettengesetz der Bundesregierung: Ihr sei kein Beispiel bekannt, bei dem die Einhaltung für Unternehmer unmöglich wäre. Durch das Garantieren von Arbeitsstandards in Entwicklungsländern könne Deutschland zur Entwicklung der Lebensqualität beitragen und somit eine Hauptursache für illegale Migration bekämpfen. Gleichzeitig müssten im Ausland Fachkräfte in deutscher Sprache ausgebildet werden, für den deutschen wie den dortigen Arbeitsmarkt. Dies sei allerdings nur eine Teillösung für den hiesigen Fachkräftemangel. Es brauche auch mehr Praxisbezug in deutschen Schulen, damit sich junge Menschen für ihr zukünftiges Berufsleben orientieren können.
Dr. Holger Becker, Ortsteilbürgermeister von Jena-West und erstmalig Bundestagskandidat der SPD, sieht ein Kernproblem der Bürokratie im Mehrfachaufwand, so etwa das mehrfache Eintragen gleicher Informationen in Formulare bei der Bewerbung auf Fördermittel. Als Lösungsansatz schlägt Becker eine zentrale Datenbank vor, mit der für alle Verwaltungsakte über eine sichere Verbindung Daten automatisiert in Formulare übertragen werden könnten. Bei der Digitalisierung in Unternehmen sei die größte Hürde auf längere Sicht nicht die digitale Infrastruktur selbst, sondern die fehlenden Fähigkeiten der Mitarbeiter. Digitale Kompetenzen müssten in der Ausbildung und im Studium mehr Aufmerksamkeit erhalten. Gleiches gelte in der Verwaltung, auch um Unternehmen beim unterschätzten Thema Cybersicherheit unterstützen zu können. Im Rahmen der Energiewende müsse über die Grenzen hinaus gedacht werden, vor allem bei der Produktion von sauberem Wasserstoff. Des Weiteren stünden effektiver Klimapolitik, zum Beispiel beim Bahnausbau, schier endlose Planungsverfahren im Weg, so Becker. Für junge Unternehmen fehle es in Deutschland an privatem Kapital, attestiert der Sozialdemokrat. Außerdem sieht er Potenzial für Anpassungen von Förderprogrammen für neue Innovationen.
Um Bürokratie abzubauen und gleichzeitig Gründungen zu fördern, brauche es eine „One-Stop-Strategie“ – eine Anlaufstelle für Gründer, die fachlich kompetent, aber betriebswirtschaftlich unerfahren sind – findet Gerald Ullrich MdB von der FDP. Auch müsse mit einem Digitalisierungsministerium die Verwaltung zielgerichtet digitalisiert werden: bessere Infrastruktur, funktionierende Systeme und Personal in den Behörden, das „digital denkt“. Für die Energiewende hält Ullrich Wasserstoff für absolut notwendig, doch dürfe man neben grünem Wasserstoff auch blauen und türkisen fördern. Gleichzeitig solle die Politik Technologie nicht vorschreiben, sondern die Energiewende technologieoffen gestalten und mit den richtigen Rahmenbedingungen begleiten. Das vor Kurzem verabschiedete Lieferkettengesetz sei der falsche Weg zu einem richtigen Ziel. Hierbei hätten Verbände mehr gehört werden sollen, findet der Liberale. Bei der Frage der Innovationsförderung forderte er, privatwirtschaftliche Alternativen wie das Crowdfunding steuerlich zu fördern.
Bürokratie sei nicht immer Last, sondern häufig auch Schutz, erklärte Katrin Göring-Eckardt. Zur Vereinfachung von Prozessen und Digitalisierung der Verwaltung sei vor allem digital kompetentes Behördenpersonal notwendig. Auch gegen Mehrfacheingaben müsse vorgegangen werden.